Kreistag beschließt Neukalkulation der Rettungsdienst- und Leitstellengebühren des Rhein-Sieg-Kreises

Blaulicht -- Foto © Thomas Scheben

Die Mitglieder des Kreistags haben in ihrer aktuellen Sitzung im Siegburger Kreishaus (4.12.2025) die Satzungen zur Neukalkulation der Rettungsdienst- und Leitstellengebühren des Rhein-Sieg-Kreises beschlossen. Die erste Satzung umfasst den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2025 und die zweite Satzung tritt ab dem 1. Januar 2026 in Kraft. Die Städte Siegburg, Troisdorf, Hennef, Niederkassel, Königswinter und Lohmar sind selber Träger einer Rettungswache und beschließen somit eigene Satzungen.

Die Neukalkulation der Gebühren wurde notwendig, da die Kosten für Rettungsdienst und Leitstelle in den letzten Jahren gestiegen sind. Grund hierfür sind u. a. eine höhere Vorhaltung von Einsatzfahrzeugen, neu eingerichtete Notarztstandorte, Lohnkostensteigerungen für das Rettungsfachpersonal sowie erhebliche Investitionen des Rhein-Sieg-Kreises in neue Rettungswachen und Rettungsmittel, die entsprechend des vom Kreistag beschlossenen Rettungsdienstbedarfsplans getätigt werden mussten, um den gesetzlichen Anforderungen, wie zum Beispiel Einhaltung der Hilfsfristen, gerecht zu werden.

Paradigmenwechsel der Krankenkassen

Bisher erfolgte die Abrechnung der Gebühren bei gesetzlich Versicherten in der Regel unmittelbar mit den Krankenkassen als Kostenträger. Jetzt erkennen die Krankenkassen die Gebühren bspw. für den Einsatz der Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeuge, Notärzte, Krankentransporte nicht mehr wie gewohnt an. Stattdessen werden die Krankenkassen voraussichtlich die Leistungspflicht zur Übernahme der Kosten von Rettungsdiensteinsätzen gegenüber ihren Versicherten auf reduzierte Festbeträge beschränken. Die Erfahrungen anderer Kommunen in NRW zeigen, dass die Festbeträge der Krankenkassen sich häufig auf circa 70 Prozent des Gebührensatzes belaufen. Wie hoch die pauschalen Festbeträge für den Rhein-Sieg-Kreis sein werden, steht jedoch noch nicht fest. Das Verfahren der Kostenträger zur Ermittlung der Festbeträge ist intransparent.

Konsequenz der geänderten Praxis der Krankenkassen ist, dass der Rhein-Sieg-Kreis gehalten ist, die von den Krankenkassen nicht erstatteten Gebührenanteile den transportierten Patientinnen und Patienten in Rechnung zu stellen. Denn nach dem Gesetz in Nordrhein-Westfalen sind diese Gebührenschuldner.

Die Kosten für sogenannte Fehleinsätze, also Einsätze bei denen kein Patient transportiert wird, sollen nach Ansicht der Krankenkassen nunmehr in Gänze vom Rhein-Sieg-Kreis getragen werden. Als Beispiel seien hier Einsätze erwähnt, bei denen kein Patient vor Ort angetroffen wird, aus verschiedenen Gründen kein Transport in ein Krankenhaus stattfindet oder die Anfahrt des Rettungswagens abgebrochen wird, weil ein anderer Rettungswagen frei wird und dieser nun schneller den Notfallort erreichen kann.  Dieses Vorgehen der Kostenträger ist mit der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 5 des Rettungsgesetzes in NRW nicht vereinbar und daher nicht akzeptabel.

„Die Krankenkassen vollziehen einen Paradigmenwechsel bei der Abrechnung und steigen aus der bisher verlässlichen und etablierten Praxis aus; die Krankenkassen verlassen den bisherigen Konsens, wonach die von den Kreisen in Rechnung gestellten Gebühren von den Krankenkassen bisher immer in voller Höhe bezahlt wurden. Jetzt sollen für die Einsätze nur noch Festbeträge erstattet werden, die für uns nicht kostendeckend sind. Die Erstattung nur noch pauschaler Festbeträge trifft besonders die Landkreise und insbesondere den großen, ländlich geprägten Rhein-Sieg-Kreis, in dem lange Fahrwege, lange Einsatzzeiten im Verhältnis zu einer zwangsläufig geringeren Anzahl abrechnungsfähiger Einsatzfahrten je Rettungsfahrzeug die Gebühren nach oben treiben“, stellt Landrat Sebastian Schuster fest.

„Dieser Paradigmenwechsel der Krankenkassen darf nicht zu Lasten der Patientinnen und Patienten gehen. Wir sind weiterhin für Gespräche mit den Krankenkassen offen“, betont Landrat Sebastian Schuster. „Wer den Rettungsdienst benötigt, und die 112 wählt, sollte nicht wegen möglicher Kosten zögern müssen“, stellt Landrat Sebastian Schuster klar.

Bürgerinnen und Bürger sollen Gebührenbescheide an die Krankenkasse als Kostenträger weiterreichen

„Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich an ihre Krankenkasse wenden, wenn sie einen Gebührenbescheid des Rhein-Sieg-Kreises über die seitens der Krankenkasse nicht erstatteten Gebührenanteile erhalten, damit die Krankenkasse als Kostenträger diese Gebühren übernimmt“, betont Dr. Michael Rudersdorf, Dezernent für Bevölkerungsschutz des Rhein-Sieg-Kreises.

Die Situation im Rhein-Sieg-Kreis ist kein Einzelfall. Dies ist ein Landes- und Bundesproblem. Der Paradigmenwechsel der Krankenkassen in der Gebührenabrechnung war Thema im jüngsten Ausschuss für Bevölkerungsschutz beim Landkreistag NRW. „Der Landkreistag fordert die Landesregierung NRW auf, dringend auf die Kassen einzuwirken und eine Lösung zu erzielen, damit die Notfalleinsätze für die Bevölkerung weiterhin kostenfrei bleiben“, darauf weist Landrat Sebastian Schuster hin. Zudem sei auch der Bund gefordert, und solle im Sozialgesetzbuch klarstellen, dass ein zu erstattender Rettungseinsatz auch eine Behandlung vor Ort beinhaltet.

Hintergrund – Ergänzende Information

Neukalkulation der Rettungsdienst- und Leitstellengebühren des Rhein-Sieg-Kreises. Krankenkassen wollen bei Rettungsdiensteinsätzen zukünftig nur noch pauschale Festbeträge für ihre Versicherten übernehmen.

 Insbesondere die Auseinandersetzung über die Berücksichtigung der Kosten für sogenannte „Fehlfahrten“ im Rettungsdienst ist derzeit bundesweit ein Problem und könnte für Bürgerinnen und Bürger bald mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sein.

Dr. Martin Sommer, Vorsitzender des Ausschusses für Bevölkerungsschutz des Landkreistags NRW und Landrat des Kreises Steinfurt erklärte in der jüngsten Ausschusssitzung, dass in vielen Regionen die Verhandlungen über die jeweiligen Gebührensatzungen zwischen den Kreisen als Träger des Rettungsdienstes und den Krankenkassen als Kostenträger vor dem Scheitern stehen. Ursächlich hierfür sind insbesondere die im jeweiligen Gebührensatz anteilig berücksichtigten Kosten für sogenannte Fehleinsätze. Die Krankenkassen wollen, entgegen der Regelungen des Rettungsgesetzes NRW und der sich hieraus ableitenden Praxis, die berücksichtigten Kosten für Fehleinsätze nicht mehr mittragen und daher für ihre Versicherten zukünftig nur noch pauschale Festbeträge bei einem Rettungseinsatz übernehmen. Der Ausschuss für Bevölkerungsschutz des Landkreistages fordert die Krankenkassen bereits auf, die Kosten für sogenannte „Fehleinsätze“ im Rettungsdienst weiterhin zu übernehmen. Zudem solle das Land auf die Kassen einwirken die Regelungen des hiesigen Rettungsgesetzes einzuhalten.

Im Zuge der Neukalkulation der Rettungsdienstgebühren macht diese Erfahrung gerade auch der Rhein-Sieg-Kreis. Der Rhein-Sieg-Kreis ist zum einen Träger von zehn kreiseigenen Rettungswachen, zum anderen ist er Träger des gesamten Notarztdienstes an neun Notarztstandorten sowie Betreiber der Rettungsleitstelle für den Rhein-Sieg-Kreis. Gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 RettG NRW hat der Rhein-Sieg-Kreis die Kosten für die nach diesem Gesetz obliegenden und im hiesigen Rettungsdienstbedarfsplan fixierten Aufgaben zu tragen. Der Kreis erhebt als Träger kreiseigener Rettungswachen und des gesamten Notarztdienstes sowie Betreiber der Rettungsleitstelle zur Finanzierung des Rettungsdienstes von den Benutzerinnen und Benutzern Gebühren nach § 6 Kommunalabgabengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (KAG), deren Höhe er eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben kalkuliert. Die Neukalkulation der Rettungsdienstgebühren erfolgte unter Mitwirkung der BDO Concunia GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die eine außerordentliche Expertise und jahrelange Erfahrung im Bereich der rettungsdienstlichen Gebührenkalkulation vorzuweisen hat.

Mit Übersendung der Kalkulationsunterlagen versucht der Rhein-Sieg-Kreis nunmehr seit 06.06.2025 eine Einigung mit den Krankenkassen zu erzielen. Seitens der Krankenkassen wurden mehrere umfangreiche Fragenkataloge übersandt, die seitens des Rhein-Sieg-Kreises beantwortet wurden. Zudem hat der Rhein-Sieg-Kreis die Krankenkassen bereits bei der Aufstellung des Rettungsdienstbedarfsplanes wie auch bei der Ausschreibung des Rettungsdienstes, über das gesetzlich geforderte Maß hinaus, eng beteiligte und transparent eingebunden hat. Zusätzlich fanden im Rahmen des Beteiligungsverfahrens verschiedene Erörterungsgespräche mit den Krankenkassen statt. Auch im letzten persönlichen Gespräch mit den Krankenkassen am 30.10.2025 konnte kein Einvernehmen erzielt werden.

Letztlich manifestiert sich der Dissenz zwischen dem Rhein-Sieg-Kreis und den Krankenkassen im Kern im Wesentlichen bezüglich der Berücksichtigungsfähigkeit der Betriebsergebnisse der Jahre 2023 bis 2025 bei zukünftigen Gebührenkalkulationen sowie des eingangs erwähnten Fehlfahrten-Thema.

Entgegen der bisherigen Praxis sollen, laut den Krankenkassen, zukünftig die Betriebsergebnisse aus Vorjahren, sofern diesen kein Kalkulationszeitraum zugrunde liegt, nicht mehr berücksichtigt werden. Damit änderten die Kostenträger – ohne vorherige Ankündigung – ihre bisherige langjährige anderweitige Praxis. Betriebsergebnisse und damit letztlich etwaige Über- und Unterdeckungen konnten zuvor unabhängig eines gewählten Kalkulationszeitraumes vier Jahre lang in Folgesatzungen berücksichtigt werden.

Weiter verlangen die Kostenträger nun auch vom Rhein-Sieg-Kreis, dass dieser, entgegen der gesetzlichen Regelungen des Rettungsgesetzes NRW, für die Kosten sämtlicher Fehleinsätze aufkommt. Als Beispiel seien hier Einsätze erwähnt, bei denen kein Patient angetroffen wird, aus verschiedenen Gründen kein Transport in ein Krankenhaus stattfindet oder die Anfahrt des Rettungswagens abgebrochen wird, weil ein anderer Rettungswagen frei wird und schneller zum Notfallort disponiert werden kann. Die Zahl dieser Einsätze hat in den letzten Jahren zugenommen. Im Rhein-Sieg-Kreis variiert die Quote dieser Fehlfahrten derzeit je nach Rettungsmitteltyp bis ca. 20 %. Aus Sicht des Rhein-Sieg-Kreises ist dieses (ebenfalls neuerliche) Vorgehen der Kostenträger mit der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 5 Satz 2 RettG NRW nicht vereinbar und daher nicht akzeptabel. Gestützt wird dies ebenfalls durch das Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin/Brandenburg.

Aufgrund der anhaltenden Auseinandersetzung mit den Krankenkassen zog der Rhein-Sieg-Kreis, zusätzlich zu einer bereits unterstützenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine renommierte Rechtsanwaltskanzlei beratend hinzu.

Wenn die Krankenkassen bei ihrer neuerlichen Haltung, insbesondere zum Thema der Fehlfahrten, bleiben und die Kosten des Rettungsdienstes entgegen der bisherigen Praxis nicht mehr übernehmen, entsteht eine Finanzierungslücke, die die Kreise rechtlich nicht selbst ausgleichen können. Aufgrund des fehlenden Einvernehmens der Krankenkassen geht der Rhein-Sieg-Kreis entsprechend der Erfahrung zahlreicher anderer Kommunen derzeit davon aus, dass die Krankenkassen die Leistungspflicht zur Übernahme der Kosten von Rettungsdiensteinsätzen auf reduzierte Festbeträge gegenüber ihren Versicherten beschränken.

Nach der gesetzlichen Konzeption in Nordrhein-Westfalen sind die Bürgerinnen und Bürger, die durch den Rettungsdienst transportiert werden, Gebührenschuldner. Dies hat zur Folge, dass der Rhein-Sieg-Kreis die seitens der Krankenkassen nicht erstatteten Anteile gegenüber den transportierten Patientinnen und Patienten, geltend machen wird. Dieses Geld müssen sich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sodann selbst bei ihren Krankenkassen zurückholen.

Die Angebote des Rhein-Sieg-Kreises den Sachverhalt im Rahmen von Musterklageverfahren oder auf anderem Wege gerichtlich überprüfen zu lassen, wurden von den Krankenkassen bisher nicht angenommen.  Der Rhein-Sieg-Kreise steht nach wie vor für zielorientierte Gespräche mit den Krankenkassen zur Verfügung.

 

Quelle Rhein-Sieg-Kreis (hei)

5.12.2025