
Zum Abschluss des ExtremWetterKongresses stellen die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) und die Deutsche Meteorologische Gesellschaft (DMG) einen Klimaaufruf vor. Die Fachgesellschaften kommen darin zu folgender Bewertung: „Die Beobachtungslage zeigt, dass sich die Klimaentwicklung erheblich beschleunigt hat – sowohl in der Atmosphäre wie auch den Ozeanen.“ DPG und DMG weisen deshalb darauf hin, dass eine globale Erwärmung um 3 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau bereits um 2050 nicht ausgeschlossen werden kann. Folglich könnte die zusätzliche Erwärmung in den nächsten 25 Jahren möglicherweise genauso stark ausfallen wie in den vergangenen 150 Jahren. Vor diesem Hintergrund mahnen die Fachgesellschaften erhebliche Versäumnisse beim Klimaschutz und gleichzeitig ein deutlich höheres Maß an Maßnahmen an. Trotz der sich beschleunigenden globalen Erwärmung haben die globale Gemeinschaft und auch Deutschland bislang nur unzureichend auf die damit verbundenen Gefahren reagiert, und der Bedrohungslage in Folge der Erhitzung werden bisher zu wenig präventive Maßnahmen entgegengesetzt.
Daher wenden sich DPG und DMG mit vorliegendem Aufruf gemeinsam an die Politik. Die Fachgesellschaften fordern dazu auf, unverzüglich ein sehr viel wirksameres Programm zur Eindämmung von menschengemachten Klimaänderungen voranzutreiben und die hierfür notwendigen Maßnahmen nicht weiter in die Zukunft zu verschieben. Aus Sicht der Gesellschaften ist es dringend notwendig, Klimaschutz und Klimaanpassung gleichzeitig zu betreiben, da ein Teil der weiteren globalen Erwärmung auch bei intensivsten Schutzmaßnahmen nicht mehr zu verhindern ist und andererseits die Möglichkeiten der Anpassung begrenzt sind. Die Forschenden weisen darauf hin, dass es, physikalisch betrachtet, kein „Restbudget“ an Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr gibt.
Prof. Dr. Klaus Richter, Präsident der DPG: „In der Vergangenheit wurden mögliche Wege in eine klimaneutrale Wirtschaft in zahlreichen Studien dargelegt. Basierend auf diesen Erkenntnissen besteht nach wie vor die Möglichkeit, den weiteren Temperaturanstieg zu begrenzen und Maßnahmen zum Schutz unserer Gesellschaft zu ergreifen.“ Frank Böttcher, Vorsitzender der DMG, verweist auf einen gemeinsamen Aufruf von DMG und DPG aus dem Jahre 1987: „Die in dem neuen Papier skizzierten Entwicklungsmöglichkeiten können eigentlich nicht überraschen. Bereits 1987 haben wir in einem gemeinsamen Papier vor einer weltweit drohenden Klimaänderung durch den Menschen in dieser Dimension gewarnt.“
Im Text des Klimastatements aus dem Jahre 1987 heißt es: „Es besteht der begründete Verdacht, dass schon innerhalb der nächsten 100 Jahre die mittlere Temperatur […] um etwa 3 bis 9 Grad ansteigen wird, wenn die bisher beobachtete Zuwachsrate in etwa konstant und die Verzögerung durch die hohe Wärmekapazität des Ozeans gering bleibt“. Bis 2050 werden von den damals genannten 100 Jahren 63 vergangen sein.
Die heutige Einschätzung der Fachgesellschaften zeigt die Konsistenz unserer heutigen Aussagen gegenüber 1987 und unterstreicht die Verlässlichkeit wissenschaftlich abgesicherter Aussagen. Auch der Schlussbewertung von 1987 schließen sich die Gesellschaften weiterhin an: „Die Klimaveränderungen sind […] eine der größten Gefahren für die Menschheit“.
Eine „3-Grad-Welt“ bringt Deutschland erheblich mehr Extremwetter
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Eine „3-Grad-Welt“ würde für Deutschland eine erhebliche Zunahme an Extremwetterereignissen bedeuten, vor allen Dingen, was Hitze, Starkregen und Dürre angeht. Heiße Sommertage können gegenüber der vorindustriellen Zeit um zehn Grad wärmer ausfallen und damit zu einer erheblich größeren Gesundheitsbelastung werden. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) zeigt in seinem erst gestern veröffentlichten Faktenpapier zur Entwicklung des Extremwetters in Deutschland, wie sich der Klimawandel in Deutschland in den letzten Jahrzehnten beschleunigt hat und stärker abläuft als bisher. Tobias Fuchs, Vorstand Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes: „Die beschleunigte Erwärmung in Deutschland als Folge des Klimawandels ist keine abstrakte Zukunftsprognose, sondern seit Jahren gemessene Realität. Die zehn wärmsten Jahre seit 1881 traten alle seit dem Jahr 2000 auf. Mit der im April 2025 vom Deutschen Wetterdienst eingeführten neuen Klimatrendlinie bilden wir diese Entwicklung realistisch ab. Das ist eine wichtige Grundlage für klimabewusste politische und gesellschaftliche Entscheidungen.“
Klimaschäden könnten 900 Milliarden Euro bis 2050 erreichen
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Prof. Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Leiterin Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt, macht deutlich: „Ohne wirksamen Klimaschutz drohen massive Wohlstandsverluste: „Küstenregionen und Städte wären zunehmend von Hochwasser bedroht, Ernten würden deutlich häufiger ausfallen, und Hitzewellen würden die Gesundheit der Bevölkerung massiv beeinträchtigen. In Deutschland könnten die Klimaschäden bis 2050 auf bis zu 900 Milliarden Euro steigen, weltweit sind bis Mitte der 2040er Jahre Einkommenseinbußen von rund 20 Prozent projiziert. Gleichzeitig erfordert die Klimaanpassung jährlich Milliardeninvestitionen. Klimaschutz dagegen ist ein ökonomischer Gewinn: Jeder investierte Euro bringt 1,8 bis 4,8 Euro zurück, vor allem, weil enorme Schäden verhindert werden.“
Nachhaltige Anpassung ist kein Selbstläufer
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Klimaschutz erfordert eine Trendwende in Politik, Wirtschaft und der Gesellschaft. Nach aktuellen Erkenntnissen sind die Voraussetzungen dafür nicht gegeben, dass Schlüsselprozesse in diesen Bereichen den Klimaschutz ausreichend unterstützen – weder global betrachtet noch in Deutschland. Daher weist auch die sozialwissenschaftliche Forschung auf die Dringlichkeit hin, dass diese Prozesse bald eingeleitet werden müssen. Es ergibt sich bereits jetzt schon ein erheblicher Anpassungsbedarf. Die Forschung zeigt aber leider auch, dass kein direkter Weg von der Notwendigkeit der Anpassung hin zur tatsächlichen Umsetzung führt. Sowohl die physikalischen als auch die gesellschaftlichen Kontextbedingungen sind jeweils lokal spezifisch, so dass nicht ein für alle passender Anpassungsplan hilft. Die Untersuchungen zeigen viele Probleme bei der Anpassung: Pläne sind oft nicht mit betroffenen Menschen abgestimmt, vorhandene Pläne sind technokratisch und werden nicht umgesetzt, und häufig handelt es sich nur um kurzfristiges Reagieren statt um eine langfristig ausgerichtete nachhaltige Anpassungsstrategie.
„Bei der nachhaltigen Anpassung sind wir in Deutschland noch am Anfang. Vorhandene Flächen und Finanzierungsmöglichkeiten müssen jetzt klug kombiniert werden, damit Klimaschutz und Klimawandelanpassung gleichzeitig vorangetrieben werden können“, sagt Anita Engels, federführende Autorin des Hamburg Climate Futures Outlook 2024, der von über 70 Wissenschaftler:innen verfasst wurde.
DMG und DPG betonen, dass die Möglichkeiten, die fortschreitende globale Erwärmung zu bremsen und damit zum Schutz der Menschen und ihrer Lebensgrundlagen beizutragen, hinlänglich bekannt sind.
Weitere Informationen, der Aufruf in voller Länge sowie wissenschaftliche Hintergründe finden Sie unter klimaaufruf.dpg-physik.de
Quelle: Deutsche Physikalische Gesellschaft e.V. (ml)
25.09.2025