Was tun bei Rassismus, Verschwörung und Extremismus im Klassenzimmer?


Die gemeinsame Systemberatung für Schulen „Extremismusprävention und Demokratieförderung“ des Rhein-Sieg-Kreises und der Stadt Bonn bietet allen Schulformen gezielte Beratung, Begleitung und Qualifizierung an. Im Politikkurs der Stufe 12 wird über die anstehende Bundestagswahl gesprochen, bei der einige junge Erwachsene des Kurses zum ersten Mal ihre Stimme abgeben dürfen. An einer Kleingruppenarbeit zum Thema beteiligt sich ein Schüler kaum. Als seine Lehrerin ihn darauf anspricht, antwortet er: „Ist doch egal, wen man wählt. Die Welt wird doch sowieso von ein paar jüdischen Familien regiert und alle Politiker sind nur ihre Marionetten.“ Die Lehrerin ist irritiert, wie kann sie mit so einer Aussage umgehen?

Dies ist ein Beispiel aus dem Schulalltag, mit dem sich Lehrkräfte an die Systemberatung Extremismusprävention und Demokratieförderung (SystEx) wenden.

Der Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Bonn bieten hier seit November 2020 ein gezieltes Angebot an Beratung, Projektunterstützung, Begleitung und Qualifizierung. Bei einem Pressetermin am Freitag, 25. Juni 2021, stellten die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner und Landrat Sebastian Schuster das Angebot vor. Unterstützt wurden sie dabei von Johannes Bendszus, Leiter der Schulpsychologie Bonn im Amt für Kinder, Jugend und Familie, sowie Alexander Elwert, Leiter der schulpsychologischen Beratungsstelle des Rhein-Sieg-Kreises. Über ihre ersten Erfahrungen aus der Praxis berichteten die pädagogischen Fachkräfte Katrin Klingmann und Marina von Heesen.

„Demokratische Werte sind nicht verhandelbar. Daher ist unsere Aufgabe, so früh wie möglich anzusetzen, um junge Menschen aufzuklären und ihnen diese zu vermitteln“, sagte Oberbürgermeisterin Katja Dörner. „Mit der Systemberatung Extremismusprävention wollen wir Schulen noch besser bei ihrer wichtigen Präventionsarbeit unterstützen, denn Gewalt, Diskriminierung und Vorurteile haben dort keinen Platz“, so die OB weiter.

„Ich bin sehr froh, dass wir bei diesem wichtigen Thema als Region zusammenstehen und mit zwei Fachkräften ein gemeinsames Team geschaffen haben“, ergänzt Landrat Sebastian Schuster. „Demokratie ist kein Selbstläufer bei jungen Menschen, Toleranz muss erlernt werden. Damit können wir gar nicht früh genug beginnen.“

Angesiedelt sind die beiden Fachkräfte der SystEx in den jeweiligen Schulpsychologischen Beratungsstellen. „Damit arbeiten zum ersten Mal von der Bezirksregierung Köln abgeordnete Lehrkräfte gemeinsam mit psychologischen Fachkräften zusammen“, berichtete Johannes Bendszus. Beide Kolleginnen sitzen gemeinsam in einem Büro in der Bonner Beratungsstelle in Tannenbusch und sind auch jeweils gemeinsam für die Schulen in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zuständig. „Mit dieser engen Zusammenarbeit, die wahrscheinlich einzigartig in NRW ist, entstehen hilfreiche Synergien, gemeinsam lässt es sich effektiver arbeiten“, ergänzt Alexander Elwert.

Anlässe, um Kontakt zu SystEx zu suchen können zum Beispiel sein, dass eine Schülerin oder ein Schüler rassistische oder radikale politische oder extreme religiöse Überzeugungen äußert. Sie oder er zeigt irritierende Videos auf dem Handy oder kleidet sich auffällig. Dass Verschwörungsideologien die Runde machen oder im Klassen-Chat ein Hakenkreuz gepostet wird. Oder scheinbar harmlose Unterrichtsthemen führen zu herausfordernden Situationen, in denen Lehrkräfte den Eindruck haben, dass einzelne Schülerinnen oder Schüler, Minderheiten oder die demokratische Grundordnung verteidigt oder geschützt werden müssen.

„Wir möchten Schulen bei der Gestaltung von Lernräumen unterstützen, in denen Selbstwert und Identität der jungen Menschen gestärkt werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für ein demokratisches Miteinander und fördert die Empathiefähigkeit“, erklärt Katrin Klingmann. „Dabei ist uns wichtig, dass unsere Angebote bedarfsorientiert zugeschnitten und praxisnah sind. Sie sollen den Lehrkräften den Umgang mit den vielen Herausforderungen und Aufgaben erleichtern“, sagt Marina von Heesen. Angesprochen sind alle Schulformen.

Die beiden Lehrerinnen sind zwei von insgesamt 54 Fachkräften des Landes NRW, die zu den Städten und Kreisen abgeordnet sind, um dort Schulen und Lehrkräfte bei der Extremismusprävention und Demokratieförderung zu unterstützen. Das Beratungs- und Workshop-Angebot reicht von den Themen „Gelebte Demokratie in der Schule“ und „Diskriminierungssensible Schule“, über „Ursachen und Prävention von Radikalisierungsprozessen“, „Extremismus- und Gewaltschutzkonzepten“ bis zum „Umgang mit Verschwörungsideologien“. Erst kürzlich fand ein Workshop zu diesem Thema statt, denn die Pandemie zeigte, wie präsent „Fake News“ und irreführende Behauptungen insbesondere in den sozialen Medien sind.

Das Angebot von SystEx ist freiwillig, kostenfrei, vertraulich, unabhängig und neutral. Es ist eingebettet in die schulpsychologischen Beratungsstellen von Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis und ergänzt damit das bereits bestehende breite Spektrum an Hilfen. Vorteilhaft ist auch, dass mit dieser Positionierung an zahlreiche etablierte Netzwerke in der Beratung für Kinder und Jugendliche, Eltern sowie Mitarbeitende im Schulumfeld angeknüpft werden kann.

Weitere Informationen auch unter:

www.rhein-sieg-kreis.de/systex

www.bonn.de/schulpsychologie 

 

 

Quelle: Rhein-Sieg-Kreis (ps)

25.06.2021/332