3. Stellungnahme des ExpertInnenrates der Bundesregierung zu COVID-19

(C) Bundesregierung

Aktualisierte Beurteilung der Infektionslage und notwendiger Maßnahmen

Datum der Veröffentlichung: 22.01.2022

Ausgangslage in Deutschland

In seiner ersten Stellungnahme vom 19.12.2021 hat der ExpertInnenrat auf erwartbar stark steigende Inzidenzen durch eine rasche Verbreitung der SARS-CoV-2 Omikron-Variante und in der Folge auf die Gefahr einer erhöhten Belastung des Gesundheitssystems und eine Gefährdung der kritischen Infrastruktur (KRITIS) auch durch hohe Personalausfälle hingewiesen. Die Feststellungen und das skizzierte Szenario der ersten Stellungnahme sind weiterhin gültig. Durch bestehende Kontaktreduktionsmaßnahmen und das besonnene Verhalten der BürgerInnen wurde der international beobachtete steile Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland zunächst verlangsamt.

Die aktuellen Infektionszahlen haben sich in Europa und weltweit in kurzer Zeit sehr dynamisch entwickelt, und in Deutschland wurden am 19. Januar 2022 erstmals mehr als 100.000 Neuinfektionen an einem Tag gemeldet. Dies resultiert insbesondere aus einem herabgesetzten Schutz vor Infektion mit der Omikron-Variante durch vorbestehende Immunität. Hierdurch hat sich der Anteil der für SARS-CoV-2 Infektionen empfänglichen Bevölkerung kurzfristig in etwa verdoppelt. Wie in den vorangegangenen Infektionswellen ist auch in der Omikron-Welle eine regional stark variable Dynamik zu verzeichnen. Zudem verbreitet sich die Omikron-Variante bisher vor allem in den jüngeren Bevölkerungsgruppen mit vielen Kontakten und weit weniger unter älteren Menschen. Letztere Gruppe stellt aber hinsichtlich einer Hospitalisierung die relevante Population dar. Die Neuaufnahmen auf die Intensivstationen sinken in Folge einer rückläufigen Delta-Welle derzeit, jedoch wird der Anstieg der Omikron-Welle langsam auch bei den Intensivstationsaufnahmen sichtbar. Darüber hinaus zeigt die Hospitalisierung der COVID-19 Fälle regional eine Trendumkehr und einen Wiederanstieg, was zeitverzögert der international beobachteten Entwicklung entspricht.

Gefährdung der medizinischen Versorgung

Der ExpertInnenrat erwartet einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen, und es können in der Spitze 7-Tages-Inzidenzen von mehreren Tausend regional erreicht werden. Das Ausmaß der Krankenhausbelastung wird entscheidend von den Inzidenzen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen abhängen. Hier sind die Inzidenzen derzeit noch vergleichsweise niedrig, jedoch wurden in der Vergangenheit die Infektionen aus anderen Teilen der Bevölkerung in die Gruppe der Älteren eingetragen. Zudem besteht auch bei den über 50-Jährigen weiterhin eine zu große Impflücke. Die genauen Hospitalisierungsraten oder die Intensivpflichtigkeit bei Infektionen mit der Omikron-Variante sind in diesen Gruppen noch nicht bekannt. Die Hospitalisierungsrate wird niedriger als bei der Delta-Variante erwartet, müsste aber eine ganze Größenordnung (etwa Faktor 10) niedriger liegen als im vergangenen Winter, um die erwartete hohe Fallzahl zu kompensieren und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Von einer derart starken Reduktion der Hospitalisierungsrate ist auf der Basis der aktuell verfügbaren Daten trotz Impfungen nicht auszugehen. Entsprechend sind bei weiter steigenden Inzidenzen sehr viele Krankenhausaufnahmen zu erwarten.

Zudem fallen regional in Deutschland bereits an einigen Kliniken viele MitarbeiterInnen durch Infektionen mit der Omikron-Variante und durch Quarantäne aus, und vereinzelt kommt es bereits zu Lieferengpässen bei medizinischen Gütern. Unter den aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen steigen die Inzidenzen weiter, und es ist anzunehmen, dass die medizinische Versorgung zumindest regional eingeschränkt sein wird. Dies kann relevante Gefährdungen, z.B. bei der Versorgung von PatientInnen mit anderen Krankheiten, zur Folge haben. Auch in anderen Bereichen drohen durch einen hohen Krankenstand und Quarantäne erhebliche Personalausfälle oder sind bereits eingetreten.

Notwendige Maßnahmen

Das hochdynamische Infektionsgeschehen erfordert aktuell eine Beibehaltung und strikte Umsetzung der bisherigen Maßnahmen. Wenn in Folge eines weiteren Anstiegs der Inzidenzen kritische Marken, wie z.B. eine zu hohe Hospitalisierungsrate, erreicht werden, können weitergehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle zukünftig notwendig werden. Diese sollten daher jetzt so vorbereitet werden, dass sie ohne Verzögerung umgesetzt werden können. Die Bevölkerung muss auf die potentiellen Gefahren sowohl für die Belastung der KRITIS aber auch auf die individuelle Gefahr, die von einer Omikron-Infektion ausgehen kann, weiter hingewiesen werden.

Sowohl Kontaktbeschränkungen als auch Boosterimpfungen sind notwendig, um die Dynamik der aktuellen Omikron-Welle zu bremsen und das Gesundheitssystem und die KRITIS zu schützen. Deshalb ist auf eine Intensivierung der Booster-Impfkampagne Wert zu legen. Mit Zunahme der Grundimmunität in der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2-Infektionen und Abnahme der Neuinfektionszahlen und Hospitalisierungsinzidenzen sollten die Kontaktbeschränkungen wieder stufenweise zurückgefahren werden. Langfristig ist es dringend erforderlich, die verbliebenen Immunitätslücken in der Gesellschaft durch Impfungen zu schließen, da ansonsten zyklisch mit erneuten starken Infektions- und Erkrankungswellen zu rechnen ist.

Zustimmung im ExpertInnenrat: 19 von 19

 

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

22.01.2022