Sexualisierte Gewalt im Sport – ein Tabuthema? – TV Eiche zeigt sich mit der Vorlage eines Schutzkonzepts als Vorreiter im Breitensport


„Kaum einer spricht, niemand hört zu“ – so brachte es in dieser Woche eine Schlagzeile in der FAZ zu einer neuen Studie über sexualisierte Gewalt im Sport auf den Punkt. Der TV Eiche hatte sich diesem Thema bereits im vergangenen Jahr angenommen und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Sie hatte den Auftrag, eine Risikoanalyse durchzuführen und ein entsprechendes Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu entwickeln.

Wie wichtig und brandaktuell das ist, zeigt die aktuell veröffentlichte Fallstudie erstmals mit drastischen Beispielen, wie Kinder, meist von ihren Trainern, im Sport sexuell belästigt oder missbraucht wurden. Anders als bei vorherigen Studien geht es nicht um das zahlenmäßige Ausmaß des Problems, sondern um konkrete Fälle und darum, welche Täterstrategien und strukturellen Probleme sich daraus ableiten lassen.

Dafür wurden insgesamt 72 Berichte und Anhörungen von Betroffenen ausgewertet, die sich an die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gewandt hatten und die aus dem Leistungssport und dem wettkampforientierten Breitensport stammen. Die Missbrauchsfälle betreffen viele unterschiedliche Sportarten, darunter Turnen und Fußball, aber auch Judo, Reiten, Rudern, Handball oder Schwimmen. Einer der Hauptbefunde der Studie ist, dass Vereine und Verbände die Betroffenen oft im Stich lassen.

Auch zeigt sich, dass die Aufarbeitung bislang ein schwieriges, leider oftmals tabuisiertes Thema war. Damit es gar nicht erst soweit kommt, steht für den TV Eiche die Prävention im Vordergrund. „Sie muss selbstverständlicher Bestandteil unseres täglichen Handelns sein“, stellt Geschäftsführerin Melanie Eimermacher klar und führt weiter aus: „Es ist wichtig, für das Thema zu sensibilisieren und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Wichtig ist die Entwicklung einer Kultur der Achtsamkeit – Kinder und Jugendliche sollen in allen Abteilungen unseres Vereins sicher geschützt sein.“

Obwohl es noch keine flächendeckende Regelung für Vereine gibt, hat sich der TV Eiche in seinem Schutzkonzept verpflichtet, von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen zu lassen. Im Führungszeugnis müssen Urteile, wie etwa zu sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen 20 Jahre im erweiterten Führungszeugnis aufgeführt werden. Zusätzlich müssen alle beim TV Eiche Tätigen einen Ehrenkodex unterschreiben und alle fünf Jahre verpflichtend an einer Präventionsschulung gegen sexualisierte Gewalt teilnehmen.

Damit ist der TV Eiche vielen Sportvereinen einen großen Schritt voraus. Eimermacher, die zuvor als Geschäftsführerin des Gemeindeverbands der Katholischen Kirchengemeinden in der Stadt Bonn tätig war, bringt aus diesem vorherigen Tätigkeitsbereich, wie sie betont, „leider“ sehr viel Erfahrung mit. „Überall, wo potentielle Täter leicht Zugang zu Kindern und Jugendlichen finden können, müssen die Einfallstore, also die Schwachstellen, vor allem die blinden Flecken, identifiziert und damit eliminiert werden.“ Das gelte für Sportvereine genauso wie für kirchliche oder andere Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Vor allem müsse man auf Hierarchien schauen, also dorthin, wo es ein Macht- oder Abhängigkeitsverhältnis geben könnte, wie es z.B. bei Trainer*Innen und jugendlichen Sportler*Innen gegeben sein könnte. Das sei im Breitensport sicherlich weniger verbreitet als im Leistungssport, aber es gelte generell alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.

Mit Blick auf die veröffentlichte Studie hofft Eimermacher auch auf den Mut der Betroffenen. Wichtig ist ihrer Auffassung nach auch die systematische Aufarbeitung. Betroffene hätten ein Recht auf Aufarbeitung, die Institutionen des Sports hätten als Täterorganisationen eine Pflicht zur Aufarbeitung – so formulierte es etwa Prof. Dr.  Heiner Keupp, Mitglied der Aufarbeitungskommission.

Betroffene können hier Hilfe finden:

Weißer Ring: Weißer Ring e.V., 06131/ 8303-0; info@weisser-ring.de

Hilfe-Telefon sexueller Missbrauch: 0800 2255530 (kostenfrei und anonym), www.hilfe-portal-missbrauch.de

Infotelefon Aufarbeitung sexueller Kindesmissbrauch: 0800 4030040 (kostenfrei und anonym), www.aufarbeitungskommission.de

 

 

Quelle: TV-Eiche (mb)

03.10.2022